Shawn The Savage Kid ist der gelebte Gegensatz. Kein Geld für die Miete, aber für einen neuen Synthie, teure Air Max, doch Farbklekse drauf, Geisteswissenschaften studieren, ohne zu wissen wofür, nach Samples googlen, statt nach einem Nebenjob. „LowLife Schickimiki“, das ist der Rahmen, in dem sich das Leben seiner Generation abspielt: ohne materiellen Wohlstand, doch voller Luxus - ohne Sicherheiten, doch voller Zuversicht.
Shawn The Savage Kid, aus Regensburg, wurde 1989 - im Jahr, als die innerdeutsche Grenze fiel - geboren. Sein Vater († 2013) flüchtete Anfang der 80er Jahre vor der Apartheid aus Namibia, seine Mutter kam aus Franken als Studentin nach Regensburg. Zusammen mit seiner jüngsten Schwester lebte die Familie in bescheidenen, aber glücklichen Verhältnissen. Bereits ab dem Alter von 4 Jahren nahm die Mitgliedschaft im Fußballverein einen guten Teil seiner Woche ein. Durch den alternativen Freundeskreis der Eltern war Shawn schon früh von Musikern umgeben. Später folgten Schlagzeug- und Gitarrenunterricht. Überhaupt sind Musik und Sport bis heute Themen, über die Shawn stundenlang philosophieren kann.
Spricht man ihn auf prägende Momente während der Schulzeit an, nennt er ein freiwilliges soziales Jahr in Südafrika. Polizeigewalt und extreme Armut trafen vor Ort unmittelbar auf echte Freundschaft und Offenheit gleichgesinnter Musiker. Dort begann er auch erstmals zu produzieren und nach seiner Rückkehr nach Deutschland schließlich auch in der Heimatsprache zu rappen. Erste Demos erschienen mit lokaler Verbreitung. Bis heute ist Shawn Teil der Regensburger Rap-Gruppe RC Gäng und auch das Beatdigger-Kollektiv Dusty Crates zählt ihn zu seinen Mitstreitern.
Relativ schnell erweiterte Shawn dann seinen Wissensfundus, womit sich auch seine Musik zunehmend in Richtung von lebensnahen Erzählungen entwickelte. Seine Inspirationen zieht er nicht nur aus dem alltäglichen Leben, seiner Umwelt, Begegnungen und Erinnerungen, sondern auch aus Geschichten, Büchern und Musik jeglicher Art, hinterfragt Theorien und Thesen. 2011 hat er angefangen Internationale Entwicklung zu studieren. Seitdem beschäftigen zunehmend auch politische und gesellschaftliche Themen, Ungleichheits- und Abhängigkeitsstrukturen sowie Rassismen seine Gedankenwelt.
Überhaupt glänzt seine bald erscheinende Debüt-EP auf Showdown Records vor detailverliebten Geschichten. Seine Sprache ist angereichert mit Skizzen und Zeichnungen, die sich beim Hören zu komplexen Bildern formen. Der Song „Polizist“ etwa erzählt die Geschichte des erfolglosen, frustrierten, übergewichtigen Gesetzeshüters, dem es erst mit Hilfe einer Stripperin gelingt wieder Augen für die Schönheiten des Lebens zu bekommen. „Fußball“ handelt von den Potenzialen und Träumen in jungen Jahren, die Frauen und Bier weichen, bis man irgendwann feststellen muss, dass der Zug wohl endgültig abgefahren ist. Und schließlich „Goamädchen“, die Begegnung mit dem Inbegriff von alternativer Schönheit und einem Trip, den man sein Leben lang nicht vergisst.
Wer auf so viele Einflüsse zurückgreifen kann wie Shawn The Savage Kid, mit Worten spielt und um die Macht eben jener weiß, wägt sehr genau ab. Er ist niemand, der sich in den Vordergrund drängen muss, aber einer, der Partei ergreift, wenn Heuchelei, Egoismus, Gleichgültigkeit und Populismus mal wieder Oberhand gewinnen.
Als jemand, der von Kindesbeinen an mit Musik aufwuchs, stets von anderen Musikern umgeben war und kulturelle Einflüsse aller Art förmlich aufsaugt, ist es nicht verwunderlich, dass er auch seine musikalischen Inspirationen aus unterschiedlichsten Stilen und Epochen zieht – angefangen bei progressivem Jazz und Soul der 60/70er, über italienische Filmmusik bis hin zu Pakistani-Psych. Der politische Soul von Gill Scott Heron läuft bei ihm selbstverständlich neben elektrischem Post Genre à la Dorian Concept und dem harten Indie-Rap der Underachievers.
Shawns Produzent Melik ist Gründer und Allround-Aktivist des Wiener HipHop-Kollektivs Dusty Crates, mit dem er seine Beats auch live auflegt. Auf einer Show lernte er Shawn kennen, sie tauschten Nummern und ein paar Tage später stand schon der erste Track. Gemeinsam haben sie, dass sie beide rappen und produzieren und beides auch als gleichwertig betrachten. Beat und Rap sollen immer eine Einheit bilden. Meliks Sound ist sehr stark geprägt von der Kreativität und künstlerischen Freiheit der lebendigen Wiener Beatmaker-Szene.
Diese Kombination aus frischen Sounds, neuen Denkansätzen und einem ganz eigenen Wordplay ist es, die den Geschichtenerzähler Shawn The Savage Kid auf die Karte setzen für junge deutsche Künstler, die man ab sofort im Auge haben muss. |